Nach unserem 4-wöchigen Aufenthalt in Deutschland fliegen wir also zurück nach Indien. Das Land, das uns eigentlich gar nicht gefallen hat. Wir entscheiden uns nach Mumbai zu fliegen und nicht wieder nach Delhi, von wo aus wir nach Deutschland geflogen sind.
Indien 2.0
Ab dem Moment, als wir aus dem Flugzeug steigen, erkennen wir das Land nicht wieder. Wir fühlen uns sofort wohl. Obwohl in Mumbai ca. 20 Millionen Menschen leben geht es hier unglaublich geordnet zu. Niemand interessiert sich für uns, niemand will uns etwas verkaufen, der Straßenverkehr reibt einem nicht den letzten Nerv, gehupt wird fast nur, wenn es nötig ist, die Menschen drängeln nicht und stellen sich sogar in einer Reihe auf um auf den Bus zu warten!

Auch ist das Gefühl der Unsicherheit, fast schon Angst, komplett weg. Die Menschen haben eine ganz andere Ausstrahlung. Kein Wunder, gilt Mumbai doch als sehr progressiv. Die Stadt beherbergt die Börse Indiens und gilt als Zentrum der Filmindustrie (Bollywood). Hier leben verschiedene Religionen, Kulturen, Nationalitäten und soziale Schichten friedlich zusammen.
Und so genießen wir die 3 Tage in der Großstadt tatsächlich und sind positiv für den weiteren Weg gestimmt.
Wir wollen Richtung Goa und sehen auf der Karte, dass die rund 500 km entlang der Küste ziemlich interessant aussehen. Mit der Fähre geht es nach Mandawa, und ab dort wieder voll in den Abenteuermodus. Wir wollen auf dieser Strecke wieder mehr zu unserer ursprünglichen Reiseart zurück, das heißt zu Fuß gehen, per Anhalter fahren und im Zelt schlafen. Wir sind sofort angetan von der Landschaft und den Menschen. Direkt am ersten Tag dürfen wir im Restaurant nicht für unser Essen bezahlen und am Abend bei der Schlafplatzsuche gibt uns eine Omi mit Händen und Füßen zu verstehen, dass wir unser Zelt in ihrem eingezäunten Bereich aufstellen dürfen.

Am nächsten Tag fahren wir zum ersten Mal in Indien per Anhalter und auch das ist gleich ein voller Erfolg. Danke Palassh, du hast uns Selbstvertrauen gegeben, dass Trampen auch in Indien möglich ist!

In der nächsten Stadt ist der Restaurantbesitzer so begeistert von uns, dass er uns gleich noch zur Busstation bringt. Die liegt zwar nur ein paar Hundert Meter die Straße runter, aber er will wohl sichergehen, dass wir sie finden. In der selben Stadt spricht uns eine junge Frau an und fragt woher wir kommen. „Willkommen in meiner Stadt“ sagt sie uns. Daniel und ich kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, dass sind ja fast schon iranische Verhältnisse. Und das in Indien!
Das Trampen und zu Fuß laufen klappt gut. Doch obwohl wir uns wohlfühlen, ist das Wildcampen eine Herausforderung. Zum einen ist hier nicht mit Ebbe und Flut zu spaßen. Wir können nie ganz abschätzen, wie hoch das Meer in der Nacht kommt. In irgendwelchen Gebüschen wollen wir auch nicht mehr unbedingt stehen, keine Lust auf ekelige Kleintiere. Wir sind einfach nicht mehr so sorglos wie in den Ländern zuvor, sind oft unentschlossen, ob es sicherer ist, möglichst abseits vom Schuss zu bleiben oder doch in Menschennähe. Zu präsent sind die Berichte in unseren Medien über die Sicherheit von vor allem weiblichen Touristinnen in Indien. Das schlaucht an unseren Nerven. Indien bleibt kein einfaches Reiseland für uns. Doch es geht alles gut, wir entscheiden immer nach Bauchgefühl und wenn wir uns unsicher fühlen, fragen wir bei Unterkünften, ob wir unser Zelt im Garten aufschlagen dürfen.

Weihnachten finden wir ein traumhaftes Plätzchen an einem menschenleeren Strand, kochen unser Camping-Lieblingsessen, Pasta Pomodore, und verbringen eine stille Nacht. Erst ein ein paar Tage später fällt uns auf, dass der Heilige Abend auch gleichzeitig unser 1000. Tag auf Reisen war!

Dann steuern wir einen Campingplatz an, der sich als echter Glücksgriff entpuppt. Besitzerin Rutchi freut sich so sehr, dass Touristen hier sind und möchte uns einen rundum sorglosen Aufenthalt ermöglichen.

Tatsächlich treffen wir ab Mumbai keinen einzigen Touristen mehr, viele Inder erzählen uns, dass sie hier tatsächlich noch nie Touristen gesehen haben (umso erstaunlicher, dass sie uns trotzdem mit höflicher Zurückhaltung begegnen). Der Platz befindet sich direkt an einem kilometerlangen, sehr ruhigen Strand, an dem man sich einfach wie im Urlaub fühlen muss. Die Strände an diesem Abschnitt erinnern uns an die traumhaften Strände Griechenlands, leider nur ein wenig vermüllter. Doch, leider oder zum Glück, gewöhnt man sich auch daran.

Am letzten Tag des Jahres nimmt uns Rutchi zu einer persönlichen Tempelzeremonie mit. Nur ihre engste Familie und Daniel und ich sind dabei, ein ganz besonderes Erlebnis. Vieles an dieser Religion ist für uns sehr sehr befremdlich und abstrus, aber im Grunde ist das doch jede Religion. Warum soll es vernünftiger sein, einen langhaarigen Messias der am Kreuz hängt und von einer Jungfrau geboren wurde anzubeten, als eine Figur mit Elefantenkopf?

Wir lernen so viel über dieses Land in den letzten Wochen, dass wir immer mehr Lust darauf bekommen, mehr zu sehen. Indien hält hinter jeder Ecke eine Überraschung bereit, überall sehen die Menschen anders aus, verhalten sich anders, haben eine andere Kultur. Wir beginnen das Land tatsächlich zu mögen, wer hätte das gedacht! Und sind wahnsinnig froh über unsere Entscheidung, dem Land eine zweite Chance gegeben zu haben. Wie traurig und unfair wäre es gewesen, wenn wir nicht wiedergekommen wären und das Land auf ewig nur mit unseren negativen Erfahrungen besetzt gewesen wäre!
Vipassana
Das neue Jahr beginnt für uns dann sehr besonders. Schon lange möchten wir einen Vipassana-Kurs besuchen, haben auf unserer Reise immer wieder Menschen getroffen, die uns davon erzählt haben.
Vipassana ist eine sehr alte Meditationstechnik, die von Buddha persönlich entwickelt wurde.
Es geht kurz gesagt darum, die wahre Natur des Lebens zu erkennen, indem man die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind.
Am 01. Januar ist es dann soweit.
Der Kurs geht insgesamt 10 Tage, plus ein Anreise- und Abreisetag.
Man verpflichtet sich für die Dauer des Kurses ein paar wenige einfache Regeln einzuhalten. Dazu gehört u.a.
- Nicht stehlen
- Nicht töten (keinerlei Lebewesen)
- Nicht lügen
- Keine sexuellen Handlungen
- Noble Silence (keine verbale und non-verbale Kommunikation)
- Keinerlei Rauschmittel (dazu gehören auch Tabak und Kaffe)
Am ersten Tag geben wir also unser Handy, unsere Wertgegenstände, jegliches Lese- und Schreibmaterial ab. Und dann geht es in die Stille. Es ist noch nicht einmal Augenkontakt erlaubt. Männer und Frauen sind getrennt untergebracht um jegliche Ablenkung zu minimieren. Der Tagesablauf ist jeden Tag gleich.

Einfach ist das für niemanden und jeder hat wohl seine individuellen Herausforderungen.
Für mich war das Schwierigste die Einsamkeit. Zwar habe ich kein Problem damit alleine zu sein, brauche und genieße das sogar, doch keinerlei Kontakt ist tatsächlich wahnsinnig hart für mich. Nicht nur einmal fließen die Tränen. Die zweite Herausforderung ist die Langeweile bzw. fehlende Ablenkung. Wie man dem Tagesablauf entnehmen kann, hat man den ganzen Tag eben nichts zu tun außer zu meditieren. Und das nicht zu knapp.
In den ersten Tagen beobachtet man einfach seinen Atem. Wenn die Gedanken anfangen zu wandern ist das nicht schlimm. Man erkennt es und konzentriert sich wieder auf seinen Atem.
Dann beginnt man, den Atem zu spüren. Wo genau kommt er in die Nase, wo wieder heraus. Man konzentriert sich auf das Dreieck zwischen Nase und Oberlippe. Was kann man dort wahrnehmen? Schließlich lernt man am 5. Tag die Vipassana Meditation. Man konzentriert sich auf verschiedene Bereiche des Körpers, angefangen am Kopf bis zu dem Zehen. Man fokussiert die einzelnen Bereiche und nimmt einfach nur wahr ohne zu bewerten, die Wahrnehmung also weder angenehm noch unangenehm zu finden oder sich damit zu identifizieren. „Perfect Equanimity“ also Gleichmut, Gelassenheit.
Das Ganze mehrmals am Tag für jeweils eine Stunde ohne sich zu bewegen.
Abends gibt es eine Stunde Theorie.
Durch die Meditationstechnik soll man lernen, den gegenwärtigen Moment zu erkennen und zu akzeptieren, ohne etwas abzulehnen oder nach etwas zu streben. Buddha war überzeugt davon, dass dies die Grundursache menschlichen Leidens sind. Das wir viel zu selten im gegenwärtigen Moment sind, sondern in der Zukunft oder Vergangenheit und dass wir nie zufrieden sind, sondern immer etwas wollen, was gerade nicht da ist oder ablehnen, was gerade da ist.
„Anicca“ bedeutet Vergänglichkeit und ist eine weitere Lehre, die durch Vipassana vermittelt wird. Alles auf dieser Welt ist vergänglich. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, unser Körper, einfach alles verändert sich ständig und ist in einer Sekunde schon nicht mehr das Selbe wie zuvor. Diese Erkenntnis hilft dabei, Anhaftungen abzulegen.
Ich bin unheimlich froh, als die 10 Tage vorbei sind und wir endlich wieder kommunizieren dürfen. Gleichzeitig herrscht in mir ein Gefühl des inneren Friedens, wie es schwer in Worte zu fassen ist.
Diese Kurse werden weltweit und kostenlos angeboten, jeder soll die Möglichkeit haben, die Technik zu erlernen. Außerdem ist die Technik unabhängig von jeder Religion.
Hier findet ihr nähere Infos zu den Kursen. Ich kann euch das Erlebnis weder empfehlen noch davon abraten, das muss natürlich jeder für sich entscheiden. Ich würde aber mal behaupten, dass man davon mehr mitnimmt, als von jedem Urlaub. Für den ein oder den anderen also vielleicht eine Überlegung wert :-). Solltet ihr noch mehr Details wissen wollen, kontaktiert uns gerne persönlich.
Danke für diesen schönen Bericht ❤️ auch eie du den Kurs rüber bringst. Vielleicht fasse ich das auch mal ins Auge ☺️
Ich bin dabei – Oktober 2025?
Hihi, ihr zwei im Schweigekurs, da bin ich gespannt ☺️
Wir können auch schweigen 😜
Guten Morgen am 1035 (?) -sten Tag 😍
Wie im Kurs das hier und jetzt hervorgehoben wurde, so versucht Ihr es doch schon die fast drei Jahre auf Eurer Reise zu halten, ich glaube, das meistert Ihr ganz im Sinne Buddhas.
Ich bin sehr froh, dass Ihr Indiens schöne Gesichter sehen konntet durch den Neustart in Mumbai und wünsche Euch weiterhin viele gute Erlebnisse! Alles Liebe! ❤️
Da hast du recht, aber der Kurs hat die ganze Einstellung nochmal mehr verinnerlicht und auch nochmal neue Denkanstöße gegeben ❤️
Danke Mama ❤️
Mein Schatzblatt, mal wieder ein richtig guter Blog ist das geworden. Wir hatten unterschiedliche Erfahrungen im Seminar sammeln dürfen und das ist gut so wie es ist. Ich bin sehr stolz, dass Du das durchgezogen hast! Die 10 Tage waren sicherlich für uns beide nicht einfach aber Du hattest da schon einiges mehr auszuhalten! Das hatte ich Dir ja bereits noch in Dapoli gesagt. Allein der Außenbereich, den Du nutzen durftest! Wahnsinn!
Ganz toll! 😘
Vielen Dank für das schöne Feedback 😘❤️
Sehr schön geschrieben 🥰
Von Autorin zu Autorin 😊
Wieder ein ganz wundervoller Bericht liebste Bea😻😻
Wie lieb, dankeschön 😘
Ein sehr toller Bericht, Bea 😊 Danke! Ich mache momentan einen MBSR-Kurs, dort finden sich viele ähnliche Punkte und Sichtweisen. Man kann wirklich ganz neue Erkenntnisse für sich gewinnen. Ich wünsche euch weiterhin eine schöne Reise 🤗
Danke für deinen Kommentar 🤗. Lebenslanges Lernen 😉
Hallo Ihr Beiden Lieben, ich bin erst jetzt dazu gekommen diesen Bericht zu lesen…..Ich hab einfach „zu viel um die Ohren “ …..oder glaube,dass es so ist…..aber Ihr habt mich neugierig gemacht. …spätestens Ende nächsten Jahres als Rentnerin spreche ich Euch darauf noch mal an……Bis dahin bleibt noch viel zu tun bzw zu lassen
Habt weiterhin eine gute Zeit in Indien!!
Ganz liebe Grüße
Theresa
Freut mich, dass wir dich neugierig gemacht haben 🤗. Ganz liebe Grüße aus Indien ❤️
Du darfst Dich jederzeit mit Fragen an uns wenden. 🥰
Danke fürs Lesen des Beitrags und einen guten Endspurt! 😉