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010-Take the long way

010-Take the long way

In Mazedonien machen wir es genauso, wie in den vorherigen Ländern und machen uns erst kurz vor Einreise einen groben Plan, in welche Richtung es gehen soll und was wir ansehen wollen.

So viel sei gesagt: die mazedonische Geschichte ist schwierig. Eigentlich heißt das Land seit 2018 „Nord-Mazedonien“, das sagt aber keiner so, denn die Umbenennung wurde über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, auf Druck Griechenlands, entschieden. Früher war die Region Makedonien zwischen Griechenland, Serbien und Bulgarien aufgeteilt. Noch immer geht es um die Frage, welcher Teil zu wem gehört.
Es gibt außerdem eine große albanische Minderheit im Land, deshalb ist albanisch auch zweite Amtssprache und diese bezeichnen sich auch als „Albaner“ und nicht als „Mazedonier“.
Ihr merkt schon, es ist kompliziert und wie immer bei geschichtlichen und politischen Fragen bekommt man verschiedene Antworten, je nachdem, wen man fragt. Wir versuchen uns aus solchen Diskussionen generell rauszuhalten aber sind natürlich super interessiert daran, die verschiedenen Sichtweisen zu hören. Und egal, wem wir bisher im Land begegnet sind, die typische balkanesische Gastfreundschaft haben alle gemein!

Soweit der geschichtlich, politische Exkurs, auch wenn er wichtig ist, um das Land und die Menschen zu verstehen. Und das wollen wir ja genau, eintauchen in Land und Kultur.

Über die Grenze nach Mazedonien und die ersten Kilometer entlang des Ohridsees geht es zu Fuß. Das ist dank der endlich wieder humanen Temperaturen möglich und es tut gut, sich wieder etwas mehr bewegen zu können.
Ab Struga geht es per Anhalter Richtung Norden. Unser erstes Ziel ist der Mavrovo Nationalpark. Angekommen im Ort Mavrovo sind wir erst einmal ein wenig enttäuscht. Im Winter ein beliebtes Skigebiet, wirkt alles etwas künstlich angelegt (der Mavrovo-See ist ja auch ein künstlich angelegter Stausee). Irgendjemand hat uns das kleine Bergdorf Galičnik im Nationalpark empfohlen. Wir beschließen, uns das mal anzuschauen, immer positiv gestimmt, dass wir da schon irgendwie hinkommen werden (und auch wieder zurück :-)). Beim ersten Versuch war die Straße den ganzen Tag gesperrt aber wir schaffen es wie bislang jedes Mal auch ohne eigenes Auto an die abgelegensten Orte. Galičnik schließen wir sofort ins Herz. Unser Zelt müssen wir mangels ebener Grünflächen zwischen zwei Häusern aufstellen, haben aber natürlich vorher die Nachbarn gefragt :-). Es wird einer meiner Lieblingsplätze, denn wir haben eine atemberaubende Aussicht ins Tal.

Viele Touristen besuchen lediglich kurz das Dorf und lassen die umliegenden Berge außer Acht, so dass wir auf unseren Wanderungen kaum jemanden treffen. Im einzigen Café vertreiben wir uns mit mazedonischem Wein zwischendurch die Zeit und es gibt hier sogar super Wlan um mal wieder mit unseren Liebsten telefonieren zu können (zum Thema Deutschland und Digitalisierung sag ich jetzt mal nix ;-)).

Nach 3 Nächten beschließen wir weiter zu ziehen, auf den einzigen Campingplatz im Mavrovo Nationalpark, nach Trnica. Eine Dusche ist mal wieder nötig! Nun ja, die Bezeichnung „Campingplatz“ hat der Ort nicht wirklich verdient, wir haben Mühe eine ebene Fläche für das Zelt zu finden. Aber die ersehnte Dusche gibt es immerhin. Auch hier machen wir eine Wanderung, die uns zunächst durch ein meterhohes Brennnesselfeld führt, bevor wir dann mitten in den Bergen den markierten Weg verlieren. Und dann beginnt es auch noch zu donnern. Ja, und dann bleibt Daniel plötzlich stehen und zeigt auf den nächsten Bergkamm: „Da sind 2 Bären!“. Schon in Galičnik haben wir eindeutige Hinterlassenschaften am Wegesrand gesehen und natürlich auch gelesen, dass es in Mazedonien Bären gibt. Aber wer glaubt denn, dass man tatsächlich mal welchen gegenüber steht! Nachdem ich Daniel zuvor immer recht grossspurig erklärt habe, dass es ja total unwahrscheinlich sei, dass einen ein Bär angreift, verliere ich meine Coolness beim Anblick der majestätischen Tiere dann doch. Wir machen das, was man eben tun soll: Lärm, damit der Bär sich nicht erschreckt und uns bemerkt. Schnellstmöglich machen wir uns auf den Rückweg und singen lautstark sinnloses Zeug vor uns hin. Das Brennnesselfeld ist plötzlich gar nicht mehr so schlimm und wir sind heilfroh, als wir wieder die Zivilisation erreichen.
Auch wenn ich mir eine solche Begegnung kein zweites Mal wünsche, es hatte schon etwas Beeindruckendes, was wir sicherlich niemals vergessen werden. Und die Zeichen deuten darauf hin, dass es nicht so unwahrscheinlich ist, dass uns nochmal ein Bär über den Weg laufen wird, sei es in Mazedonien oder dann in Griechenland…

Nach dem Mavrovo Nationalpark ist unser nächstes Ziel das Šar Gebirge. Darauf sind wir überhaupt nur dank Armend gekommen, der uns nach über 2-stündiger Daumenraushalterei in Kichevo mitgenommen hat.

Selbst ein passionierter Wanderer, schwärmt er uns von dem Gebirge nähe seinem Wohnort Tetovo vor so dass klar ist, das wollen wir uns anschauen. Am besten ginge das vom Bergdorf Bozovce aus, das, wie soll es anders sein, wieder mal am Ende einer Bergstraße liegt (also die Straße hört da tatsächlich auf). Für uns natürlich kein Hindernis. „Take the long way“ scheint unser Motto in Mazedonien zu sein. Die Anreise klappt wieder erstaunlich gut, wir müssen noch nicht mal den Daumen raushalten. 3 junge Typen sprechen uns aus dem Auto heraus an als wir noch planlos am Wegesrand stehen.

Und auch hier lohnt es sich wieder so sehr! Bozovce ist ein winziges, sehr ärmlich aussehendes Dorf mit ein paar Häusern mit Wellblechdach. Dahinter einfach nur traumhafte Berge. Unser Zelt stellen wir auf einer der grünen Wiesen auf.

Ein paar hundert Meter weiter nur ein Imker mit zahlreichen Bienenstöcken. Selbstverständlich lädt er uns ein, seinen Honig zu probieren. Wir trauen uns fast gar nicht zu fragen, warum er seine Bienenstöcke von einem Elektrozaun umgeben hat. Klar, wegen der Bären, die ihm letztes Jahr seine Stöcke kaputt gemacht haben. Aber wir bräuchten uns keine Sorgen zu machen, für uns würden die Bären sich nicht interessieren. Naja, leicht gesagt… An diesem Tag sollen unsere größte Sorge jedoch nicht die Bären sein, sondern das Gewitter bzw. die sinnflutartigen Regenfälle. Unser Zelt steht auf einer Art Plateau neben einem steil bergab gehenden Weg auf dem nach kurzer Zeit ein regelrechter Bach voll Wassermassen läuft. Der Imker macht sich Sorgen und kommt trotz Starkregen zu unserem Zelt gelaufen. Ob wir nicht lieber mit zu ihm nach Hause kommen wollen und dort schlafen? Wir lehnen nach Überlegung dankend ab. Als Kompromiss lässt er uns über Nacht sein Auto offen stehen, damit wir uns notfalls dort rein flüchten können. Zum Glück geht alles gut und das Wetter beruhigt sich irgendwann. Trotzdem sind wir mehr als froh gewesen, eine Notfalllösung gehabt zu haben!

Nach unserer Wanderung am nächsten Tag besuchen wir das Dorf und den winzigen Tante-Emma-Laden. Ich möchte Tabak kaufen. Zunächst wird der obligatorische Übersetzer geholt. Ein Mann, der seit 40 Jahren in der Schweiz lebt und gerade zu Besuch in seinem Heimatdorf ist. Tabak gibt es nicht, nur Zigaretten. Die will ich aber nicht. So weit, so gut, könnte man meinen. Aber die balkanesische Gastfreundschaft lässt das natürlich nicht zu. Also wird ein dritter Mann involviert, der friedlich seine Selbstgedrehten auf einer Bank raucht. Der gibt mir gleich die Hälfte seines Tabaks ab. Und so stehen drei Männer, der Tante-Emma-Laden-Verkäufer, der Übersetzer und der alte Mann im Halbkreis vor mir und schauen, ob das Mädel das auch hinbekommt mit dem Drehen. Tut sie ;-). Daniel sitzt ein paar Meter entfernt und beobachtet das Schauspiel schmunzelnd aus der Ferne. Ein Bild für die Götter! Ach ja, der Übersetzer lässt es sich nicht nehmen, uns dann auch noch auf einen Kaffee einzuladen. Was macht man bei so viel Freundlichkeit außer sich zu bedanken?

Wir bleiben 2 Nächte im Šar Gebirge. Gerne hätten wir noch verlängert aber das Wetter bleibt leider unbeständig. Am Tag der Abreise wollen wir morgens noch einen Kaffee in Bozovce trinken. Wir treffen dort unseren Imker wieder. Lachend bietet er mir eine Selbstgedrehte an. Er habe gehört, mir wäre der Tabak ausgegangen. Tja, anscheinend waren wir Dorfgespräch :-D. Wir erzählen ihm, dass wir heute versuchen wollen, nach Tetovo zurück zu fahren. Das passe gut, meint er. Der Sohn seines Kumpels würde heute fahren. Er fragt mal nach, ob er Platz hat. 5 Minuten später hupt es vorm Café. Abfahrt! Wir wissen mal wieder nicht so Recht wie uns geschieht.

Take the long way, ein gutes Motto. Es lohnt sich!

28 thoughts on “010-Take the long way

  1. Auch diesen Blog hast du wieder ganz toll hinbekommen. Ich bin gespannt, wie Du unsere weitere Reise durch Mazedonien dokumentieren wirst! 🙂

  2. Hallo Ihr 2 Weltenbummler,
    es ist wieder ein Vergnügen Euren Blog zu lesen, fast als wäre ich dabei. Ich freue mich auf jedes Foto, jede Zeile, gucke täglich, ob es was Neues gibt.
    Habt weiterhin viel Freude bei Eurer Reise, bleibt gesund und nehmt weiterhin den langen Weg, wie man liest lohnt es sich.
    Immer in Gedanken bei Euch
    Gabi

    1. Hallo liebe Gabi, ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut 🙂 ab heute geht‘s wieder in die Wildnis, das Abenteuer ruft wieder nach uns! Es tat gut die Akkus hier in der Stadt Ohrid aufzufüllen. Jetzt heißt es wieder den langen, manchmal beschwerlichen Weg zu nehmen. Hoffe dir geht’s gut!? GLG
      Daniel

  3. Ich liebe Honig! Den hätte ich liebend gern probiert! Ich nehme mal nicht an, dass ihr zufällig was nach Bayern geschickt habt? 😉

    Und da heißt es immer „rauchen “ sei ungesund, wie mir scheint rettet euch diese Unart regelmäßig den Allerwertesten 😀

    Echt Mega eure Erlebnisse, wie heißt es so schön, wer eine Reise tut, kann viel erzählen! Oder so ähnlich.

    Machts gut und bis zum nächsten Eintrag! 👋

    1. Danke lieber Andi für deinen Kommentar. Ich hoffe immer noch sehr, dass wir uns bald sehen 🙂
      Schön, dass du uns weiterhin so fleißig folgst 🙂
      LG Daniel

  4. Super geschrieben, Bea 😊👍 Und eure Bilder sind auch immer wieder der Hammer. Hab grade etwas gestöbert und das Album Lovely People finde ich besonders schön – schon alleine deshalb lohnt sich die Reise 😉 Liebe Grüße, Ramona

    1. Thank you Armend for your help and support for Bea and Daniel who are very lucky to meet people like you on their way in foreign countries. I am very grateful and wish you all the best! Daniel’s mother Hille from Germany

  5. Was soll ich sagen, ich bin geflasht, so viele wundervolle Begegnungen mit wundervollen Ausländern – von deren Gastfreundschaft können wir Deutschen uns ein großes Stück abschneiden!
    Zum Glück habt Ihr die Bären und das Unwetter unbeschadet überstanden und konntet ein bisschen entspannen an diesem letzten Augustwochenende! Unglaublich, Ihr seid vor genau 5 Monaten losgefahren in dieses große Abenteuer – ich wünsche Euch weiterhin eine fantastische Reise, passt auf Euch auf und genießt alles mit Freude! Eure Mama Hille 😘

  6. Das Bären Thema sollte Daniel doch noch aus Kanada kennen. Wenn der Bär 200 Meter entfernt ist fühlt es sich wie 20 Meter an. Lasst euch nicht fressen und keinen Honig transportieren.

  7. Hallo Ihr Zwei Lieben Menschen!!
    Wie immer bin ich von Eurem Bericht mehr als begeistert; aber das Bärerlebnis ( ich wusste ja bereits davon) hat mich doch nochmal erschreckt Passt gut auf Euch auf und macht viel Lärm – auch wenn ich das nicht verstehe.
    Ganz liebe Grüße
    Theresa

    1. Vielen Dank, wir passen auf!
      Na der Bär greift denn Menschen eigentlich nicht an. Nur wenn er sich erschreckt, weil er ihn nicht bemerkt. Deshalb ist es gut Lärm zu machen. Dann bemerkt der Bär einen rechtzeitig und geht einem von sich aus aus dem Weg. So die Theorie 😉

  8. Auch endlich dazu gekommen zu lesen was ihr so erlebt habt wieder. Schade, dass es in Ohrid nicht sein hat sollen, das wird nachgeholt. Weiterhin gute Begegnungen und eine schöne Zeit. LG Ramona

  9. Liebe Bea und Daniel,
    ich lese nun schon seid Anfang an mit, und bin begeistert von den tollen Texten und Videos.
    Ich bewundere und beneide euch, macht einfach weiter soweit euch die Füße tragen.
    Ab Oktober habe ich ja nun auch genug Zeit, aber soetwas traue ich mir nicht mehr zu.
    Passt gut auf euch auf.
    LG, Achim

    1. Lieber Achim,
      Ich habe mich mega über deine Nachricht gefreut! Wünsche dir eine tolle Zeit ab Oktober und vielleicht startest du ja dein ganz eigenes Abenteuer :-).
      Ganz liebe Grüße aus Griechenland!

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