Nach über 2 Wochen in unserer Hostelblase in Shiraz fühlen wir uns gestärkt genug um den Rest des Irans zu erkunden. In einer 16-stündigen Busfahrt fahren wir nach Rascht in den Norden und weitere 3 Stunden mit dem Sammeltaxi nach Astara, an den westlichsten Zipfel am Kaspischen Meer, kurz vor der Grenze zu Aserbaidschan.
Nachdem unsere ersten Versuche im Iran zu trampen missglückt sind (siehe Blog 027), versuchen wir hier am Kaspischen Meer doch noch einmal unser Glück und ändern unsere Taktik. Wir laufen einfach so lange die Straße entlang, bis jemand anhält und uns anquatscht, was, eher früher als später, immer passiert. Dann fühlen wir uns nicht so sehr in der Bittstellerposition und haben kein schlechtes Gewissen, dass wir kein Geld bezahlen wollen.
So treffen wir auch auf Saadad. Er ist gleich hellauf begeistert von uns und möchte Zeit mit uns verbringen. Wir wollen eigentlich nach Talesh um uns dort mit 2 Schweizerinnen zu treffen, die wir über eine WhatsApp Gruppe für Reisende kennengelernt haben. Doch Saadad macht ein trauriges Gesicht und wir ändern unsere Pläne. Ein Strahlen erhellt sein Gesicht wieder als wir ihm sagen, dass wir bei ihm bleiben. Er fährt mit uns über eine Schotterpiste die seinem Saipa alles abverlangt mitten in den Urwald, wo sein Cousin wohnt. Genau deswegen lieben wir das Trampen eben, weil es uns an Orte bringt, die wir sonst nie finden würden. Saadad ist glücklich und bietet uns an, die Nacht bei seiner Cousine in der Stadt zu verbringen. Wobei „anbieten“ nicht ganz stimmt. Wenn die Iraner kein Taarof spielen (auch hierzu siehe Blog 027), gleichen die Angebote eher Anweisungen :-). Wir sagen zu und dürfen gleich noch uns und unsere Wäsche waschen.
Am nächsten Tag bringt uns Saadad dann tatsächlich noch nach Talesh an einen See, wo wir die 2 Schweizerinnen treffen wollen. Es fällt ihm schwer sich von uns zu trennen, wir sind ihm sehr ans Herz gewachsen. Doch irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen und wir verabschieden uns. Er schreibt uns im Nachhinein noch eine sehr liebe Nachricht, dass er viel von uns gelernt hat und wir einen positiven Einfluss auf ihn hatten. Was für ein wunderbares Kompliment!
Übergangslos treffen wir endlich auf Caro und Jasmin. Die zwei Schweizerinnen sind seit über 3 Jahren zu Fuß unterwegs. Das erste Mal, dass wir Reisende treffen, die noch langsamer als wir unterwegs sind :-D! Wir verstehen uns auf Anhieb und es ist interessant zu hören, wie ähnlich sich viele unserer Erfahrungen sind. Wir verabreden uns für den nächsten Abend nochmal einen Ort weiter, jeder kommt in seinem Reisestil dort hin, sie zu Fuß, wir per Anhalter :-).
Vielleicht treffen wir die beiden noch ein weiteres Mal, es könnte gut möglich sein. Wir halten uns auf jeden Fall seit unserem Treffen mit erheiternden Sprachnachrichten auf dem Laufenden :-).
Unsere Idee war ursprünglich das Kaspische Meer einmal von West nach Ost runterzureisen doch der Strand ist nicht unbedingt unser Ding, es ist voll, laut und stellenweise ziemlich vermüllt. Ähnlich wie an der Schwarzmeerküste in der Türkei ist hier eher das Inland interessant. Bei Saadads Cousin im Urwald bekommen wir einen ersten Eindruck. Außerdem gibts im Iran auch richtig fette Berge, wer hätte das gedacht!
Doch wie alles im Iran ist auch das Wandern möglich aber schwierig, denn es gibt keinerlei markierte Wege. Und auch unsere Kartenapps, in denen auch Wanderwege eingezeichnet sind, spucken nichts aus. Uns fehlt es ein wenig an Anhaltspunkten und wir hangeln uns Stück für Stück vor.
So landen wir z.B. in Masouleh, einem Ort in den Bergen der ziemlich touristisch ist, aber von dem aus man relativ einfach in die Natur laufen kann.
Mit „touristisch“ meine ich übrigens iranische Touristen, es sind nämlich gerade Schulferien und die Iraner reisen gerne (westliche Touristen haben wir nur eine Handvoll in Shiraz getroffen und Caro und Jasmin). Außerdem ist es halt im Iran auch gerade Sommer und dementsprechend überall außer in den Bergen unerträglich heiß.
So genießen auch wir die angenehm kühle Bergluft und ziehen weiter ins Elburs-Gebirge. 3 Tage stellen wir unser Zelt vor die Berghütte des iranischen Kletter- und Bergsteigvereins und wandern entspannt durch die Gegend.
Die Kommunikation mit den Iranern ist schwierig. Haben wir es 2 Jahre geschafft, uns mit Händen und Füßen sowie ein paar Brocken der Landessprache durchzuschlagen, haben wir nun manchmal das Gefühl, wir leben auf zwei unterschiedlichen Planeten. Es kommt teilweise zu absurden Situationen, in denen wir nicht wissen, ob wir lachen oder weinen sollen. Wir versuchen z.B. einer potenziellen Mitfahrgelegenheit zu erklären, dass wir kein Geld bezahlen wollen, sie verstehen wohl, dass wir Geld brauchen und wollen uns ein Bündel Scheine in die Hand drücken. Wir lehnen natürlich ab, sie fahren weg OHNE uns ein Stück mitzunehmen…
So ist das Trampen für uns jeden Tag eine Herausforderung, die uns alles abverlangt. Selten verläuft alles geschmeidig, wie wir es gewohnt sind. Wir müssen ständig ausdiskutieren, dass wir kein Hotel brauchen oder nicht mit in ihr Haus kommen wollen, dass es total ok ist, wenn sie uns einfach aus dem Auto steigen lassen, dass wir weder verhungern noch verdursten und auch keine Angst haben im Zelt zu schlafen. Und das ganze dann gerne 5 mal… Wir fühlen uns bevormundet, das kann man so sagen. Und wenn wir erzählen, dass wir genau so seit über 2 Jahren reisen, hört eh keiner zu.
Auch bekommt man selten eine eindeutige Antwort, wenn man eine Frage stellt. Es werden dann gerne x Leute angerufen oder es kommen noch mehr Laberbacken dazu während Daniel und ich bei 40 Grad mit unseren Rucksäcken in der Sonne stehen und einfach nur wissen wollen, wohin der Mensch fährt.
Ihr merkt, wir kommen mal wieder stark an unsere Grenzen.
Wir fallen auf, mehr als je zuvor, und versuchen doch freundlich zu bleiben. Doch es fällt schwer, wenn man zum 15. Mal am Tag dieselben Fragen gestellt bekommt oder einem ungefragt das Handy zwecks Foto oder Video vors Gesicht gehalten wird. Manchmal kommen wir uns vor wie Affen im Zoo. Alles nur ein Warm-up für Pakistan und Indien…
Aber der Iran ist nun mal ein großes Land und es war ja auch naiv anzunehmen, dass die Leute überall genauso entspannt drauf sind, wie in Shiraz, der Kulturhauptstadt des Irans.
Wir wollen schließlich noch ins Damavand-Gebirge. Der höchste Berg des Irans misst 5610 m. Und wenn wir schon mal hier sind, können wir ihn uns ja zumindest aus der Ferne ansehen. Wir suchen uns den kürzesten Weg vom Elburs-Gebirge dorthin und machen uns auf den Weg. Wieder mal so eine Situation, in der wir versuchen zu trampen und uns dann umringt von einer Handvoll Leute wiederfinden, die auf uns einreden. Zum Glück kommt uns eine junge Frau zu Hilfe, die englisch spricht und uns erklärt, dass die Straße ab einem gewissen Punkt nur noch mit einem Allradantrieb befahrbar ist.
Also wieder zurück und einmal komplett aussen rum (300 km!), bis wir endlich Rineh erreichen, den kleinen Ort, von dem aus man den Damavand besteigen kann. Wir schauen beim ersten Basecamp vorbei, einer Art Berghütte im Ort und erklären dem jungen Mann, was wir vorhaben. Zum zweiten und vielleicht auch dritten Basecamp wandern. Alles sei kein Problem, auch wenn wir bald merken, dass er nicht wirklich Ahnung von der Materie hat.
Wir wandern also am nächsten Morgen los, auf unserer Kartenapp ist tatsächlich ein Wanderweg eingezeichnet. Den wir allerdings nicht finden, weil vermutlich zugewachsen. Nach etwas weglosem Rumgekraxel drehen wir frustriert um und entscheiden uns die asphaltierte Straße zum zweiten Basecamp zu gehen, besser als nix. Nach 15 Minuten hält ein Auto neben uns.
„Damavand?“
„Yes!“
„Permit?“
Wie Permit?? Der Typ steigt aus und hält uns seinen Ausweis vom iranischen Bergsportverein unter die Nase, englisch kann er natürlich nicht, also telefoniert er 10 Minuten rum, bis er jemanden an der Strippe hat, der halbwegs englisch spricht. Und uns weismachen will, dass das Permit 50 USD pro Person und Basecamp kostet! Wir erklären, dass wir NICHT auf den Gipfel wollen (es erscheint uns wahrscheinlich, dass man dafür tatsächlich ein Permit braucht), aber er bleibt bei seiner Meinung. Unsere Frage, warum man uns diese Info nicht im ersten Basecamp gegeben hat bleibt unbeantwortet (an dieser Stelle ein Hoch auf den Deutschen Alpenverein, echte Profis!).
„You are crazy“ beendet Daniel das Gespräch und wir drehen um. (Durch einen zuverlässigen Kontakt erfahren wir später, dass man tatsächlich ein Permit für 50 USD braucht. WENN man auf den Gipfel klettert.)
Ganz normaler Alltag im verrückten Iran…
Ui😅 ja, das ist schon sehr schwierig im mittleren Osten. Aber eine tolle Schilderung! 🤗👍
Behaltet die Nerven und genießt jetzt den heißen Süden! ❤️😘
Immer die Erste beim Kommentieren, wie schön😘
Unser Nerven sind aus Stahl nach Iran 😄
Die brauchen wir dann auch für die Folgeländer 💪
Hallo Ihr Beiden Lieben,
Ich bin wieder mal beeindruckt von Eurer Schilderung der Ereignisse – ich hätte sicher längst die Geduld und die Lust verloren….aber dann auch viel verpasst……
So wie Ihr reist seid Ihr gute Botschafter!!
Ganz liebe Grüße
Theresa
Vielen Dank liebe Theresa! Es läuft eben nicht immer alles glatt, wir finden es wichtig, auch diese Seite des Reisens zu zeigen.❤
Wir geben echt unser Bestes. Sobald die Iraner endlich verstehenden, dass wir aus Deutschland sind, werden wir meist eh vergöttert! 😂 ob wir das wollen oder nicht… das interessiert keinen 😉
Hallo Ihr lieben 😘 ich hoffe euch vergeht nicht die Lust am Reisen. Ich muss euch bewundern,ich hätte wahrscheinlich schon längst alles hingeschmissen 😎
Ist aber immerwieder interessant zu lesen 😍
Alles direkt hinzuschmeissen wäre ja auch zu einfach😊. Noch überwiegen ja zum Glück die schönen Sachen.
Mein erster Impuls als wir in den Iran eingereist sind war ja Flucht 😄 jetzt bin ich dankbar hier geblieben zu sein. Wir hätten viel verpasst. Jetzt brauch ich aber erstmal Zeit für mich und viel Ruhe 😂