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032 – Khoda Hafiz Pakistan – Von starrenden Männern und überbesorgten Polizisten

032 – Khoda Hafiz Pakistan – Von starrenden Männern und überbesorgten Polizisten

Für das Ende unserer Reise in den Norden Pakistans haben wir uns ein besonderes Schmankerl aufgehoben. Wir wollen den Nanga Parbat, den „Schicksalsberg der Deutschen“ sehen.

Wir wollen das nicht über die bekannteste Möglichkeit, Fairy Meadows, machen, die leider schon etwas kommerzialisiert ist, sondern suchen uns eine abgeschiedenere Option, den Rama Lake, der auf 3500 m liegt und an dem man eine exklusive Alleinsicht auf diesen mächtigen Berg hat.

Wir kommen im stockdunklen in Astore, den Ort am Fuße des Sees an. Unsere nette Mitfahrgelenheit fühlt sich verantwortlich und weiß nicht so recht wohin mit uns, deshalb kontaktiert er die Touristenpolizei. Die Jungs wissen ebenfalls nicht wirklich, was sie mit uns machen sollen und bieten uns an, unser Zelt in ihrer Polizeistation aufzustellen. Das passt uns in diesem Fall sogar ganz gut, auch wenn wir nach unserer Erfahrung mit der Polizeieskorte (siehe Blog 030) eigentlich gar keine Lust mehr auf die fürsorglichen Herrschaften haben.
Die Nacht verläuft gut bis wir in den frühen Morgenstunden von einem Geräusch geweckt werden, das klingt, als ob ein Ast auf unser Zelt gefallen ist. Doch es ist unsere Zeltstange die komplett durchgebrochen ist! An der selben Stelle ist uns das im Iran schon mal passiert, nun ist sie endgültig durch. Wir reparieren sie notdürftig und hoffen, sie hält noch ein paar wenige Male bis wir irgendwo in Pakistan einen Campingshop finden.

Am nächsten Tag will man uns noch einen Aufpasser mitgeben, doch das können wir zum Glück ohne große Diskussion abwenden. Die Polizisten sind einverstanden damit, dass wir uns alleine zum See aufmachen und dort eine Nacht zelten.

Zweimal nimmt uns ein Traktor jeweils ein Stück des Weges mit, so dass wir die 1300 Höhenmeter nicht komplett laufen müssen. Angekommen am Rama Lake ist es einfach absolut wunderschön dort oben und ein erhabenes Gefühl, dem Nanga Parbat so nah zu sein.

Zwischendurch kommen zwei Pakistanis mit ihrem Moped vorbei, ansonsten sind wir komplett alleine. Als die Sonne um 16 Uhr hinter dem Berg verschwindet, wird es schnell sehr kalt, wir mummeln uns ein und machen es uns gerade gemütlich als wir es plötzlich in der Einsamkeit von hinten rufen hören „Problem, Security“. Das sind dann auch die einzigen englischen Wörter, die der aufgeregte Mann sprechen kann. Wir hören jedoch heraus, dass er Polizist und für diesen Abschnitt zuständig ist und wir hier nicht bleiben können, weil… Ja, das wissen wir nicht. Wir bleiben hart und geben ihm zu verstehen, dass wir jetzt ganz sicher nicht unser Zelt abbauen und dass die Polizisten in Astore uns gesagt haben, es wäre kein Problem hier für eine Nacht zu zelten. Minutenlang schweigen wir uns an bis er schließlich bedröppelt abzieht. Leider macht dieses Erlebnis den restlichen Abend und die Nacht relativ unentspannt, da wir nicht wissen, ob es das jetzt gewesen ist oder er nochmal wiederkommt.
In der Nacht hat es Minusgrade, wir tragen alles, was wir haben, trotzdem gehört diese Nacht zu den kältesten, die wir bislang auf der Reise hatten.
Am nächsten Morgen schälen wir uns aus dem Zelt und sitzen gerade beim ersten Kaffee als tatsächlich der besorgte Herr wieder auftaucht… Unterhalten können wir uns ja nicht aber uns ist klar, dass er gekommen ist, um uns abzuholen.

Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen, packen entspannt unsere Sachen und er begleitet uns tatsächlich zu Fuß 5 km bis zu seinem Checkpoint, den wir am Vortag zwar pasiert haben, aber da war der gute Mann wohl anscheinend in Pause. Dort müssen wir unsere Daten in eine Liste eintragen und dann ist er glücklich. Wir können alleine weiter, ab diesem Punkt haben sich die Sicherheitsprobleme wohl in Luft aufgelöst.
Wer denkt, nur in Deutschland gibt es Bürokratie, sieht hier ein gutes Gegenbeispiel. Zum Glück war das im Norden unser einziger Berührungspunkt mit der Polizei, denn solche Erlebnisse können einem das Reisen ganz schön vermiesen.

Unabhängig von diesem Erlebnis ist es für uns Zeit, den Norden zu verlassen.
Die Tage werden kürzer, um 18 Uhr ist es dunkel, und sobald die Sonne weg ist, ist es kalt.

Uns steht also erneut eine mindestens 17-stündige Busfahrt von Gilgit zurück nach Islamabad bevor. Die einzige Busgesellschaft, die offiziell Touristen befördern darf, nimmt seit Tagen keine Touristen mehr mit, weil in Islamabad ein wichtiger politischer Gipfel stattfindet. Der ist zwar als wir in Gilgit ankommen seit einigen Tagen vorüber, doch wir dürfen trotzdem nicht mit. Nur mit viel Nörgelei und Insistieren nimmt uns schließlich ein Kleinbus mit. Der wird wie immer bis oben vollgestopft und heillos überladen.

Ich sitze über dem Radkasten, kann meine Beine also nur anwinkeln, die Sitze sind ungefähr so bequem wie ein schlechter Plastikstuhl. Zu allem Überfluss dreht der Fahrer dann auch noch Musik auf volle Lautstärke auf, die Box befindet sich praktischerweise direkt über unseren Sitzen. Wir beschweren uns nicht, denn einen zweiten Fahrer gibt es nicht und wir hoffen, dass ihn die Musik wach hält. 18 Stunden geht es auf der Straße des Grauens, wir werden durchgeschüttelt wie im Fahrgeschäft, an Schlaf ist nicht zu denken. Als wir in Islamabad angekommen schmerzt der ganze Körper und wir fühlen uns, als hätten wir 3 Tage durchgefeiert.

Natürlich sind wir wieder die Attraktion für die Pakistanis, denn was sie wirklich gerne machen, ist starren. Fast überall wo wir sind werden wir angestarrt als wären wir Aliens. Doch wenn man lächelt und winkt, bekommt man so gut wie immer ein Lächeln zurück, das löst die unangenehme Situation dann etwas auf. Meistens gibt es dann noch die übliche Frage „where are you from?“ und dann ist das Gespräch auch beendet. Denn man muss sagen, Bildung ist leider ein riesiges Problem in Pakistan. Knapp 40 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten, viele wissen mit „Germany“ rein gar nichts anzufangen, manchmal werden wir sogar gefragt ob wir aus China kommen. Nichtsdestotrotz sind die Pakistanis wahnsinnig gastfreundlich, viele sehen es als ihre Pflicht uns zu helfen und wir fühlen uns kein einziges Mal unsicher. Wir wissen nicht, auf wievielen pakistanischen Fotos oder Videos wir verewigt sind, meist ungefragt. So muss man sich wohl fühlen, wenn man berühmt ist.

In Islamabad verbringen wir ein paar entspannte Tage im Hostel und finden sogar einen ganz gut ausgestatteten Campingshop in dem wir ein neues Haus finden!

Fast versacken wir wieder ein wenig im Hostel, doch es zieht uns weiter, Indien ruft.

Wir fahren mit dem Zug nach Lahore, die letzte Stadt vor der Grenze. Dort genießen wir noch einmal das wirklich vorzügliche pakistanische Essen, das nicht nur lecker, sondern auch spottbillig ist, wir zahlen meist um die 2 Euro für 2 Personen.

Und dann heißt es nach 6 Wochen „khoda hafiz“ Pakistan! Wir hatten einen schwierigen Start und haben uns vorher viele Gedanken gemacht. Und sind unendlich dankbar und froh, dass wir uns doch dafür entschieden haben das Abenteuer auf uns zu nehmen. Die Kultur und die Menschen werden sicherlich nicht ganz oben auf der Best of Liste stehen, auch wenn wir die Pastinaken, wie wir sie liebevoll getauft haben, auf eine schräge Art schon lieb gewonnen haben. Nicht alle, aber einige. Und der Norden des Landes gehört zum Schönsten, was wir je gesehen haben. Wir sind sehr gespannt, welche Entwicklung das Land in den kommenden Jahren machen wird und hoffen, dass es wieder mehr bergbegeisterte Touristen in den Norden zieht, so wie es vor dem 11. September war.

7 thoughts on “032 – Khoda Hafiz Pakistan – Von starrenden Männern und überbesorgten Polizisten

    1. Das freut uns sehr. Genügend Videos hast du ja auch noch zum anschauen. Diesem Sonntag gibt’s dann auch das erste Video zu Pakistan 🇵🇰 viele Grüße nach Bad Trissl

  1. Ach, Bea, das ist so gut erzählt, ich weiß gar nicht, wie ich Dich loben soll 😍 Du vermittelst Eure Erlebnisse und Gefühle so „anfaßbar“, das ist viel mehr als eine Dokumentation, Du erweckst Emotionen, das macht das Lesen unglaublich schön!
    Ihr wißt, dass Eure Mütter sehr froh sind, dass auch Pakistan für Euch eine Bereicherung auf Eurer Reise war, und alles gut gegangen ist!
    Und wir freuen uns aufs Video. ✌️😘

  2. Huhu Ihr Lieben Beiden,
    absolut 1a Dein Schreibstil und absolut beeindruckend Eure Geduld aber auch Eure Leidensfähigkeit – bei Minusgraden im Zelt zu übernachten käm mir nicht in den Sinn – Hut ab!!
    Ich bin schon gespannt wie es weitergeht!!

    Ganz liebe Grüsse
    Theresa

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