Wir sind angekommen im Norden Pakistans, wobei das nur so halb stimmt. Wir befinden uns in Gilgit-Baltisan, das ausdrücklich keine Provinz Pakistans ist, sondern lediglich unter pakistanischer Verwaltung steht. Und das betonen die Menschen hier auch gerne.
Es ist auf jeden Fall ganz anders, als das was wir bisher von Pakistan gesehen haben, nämlich die Provinzen Belutschistan und Sindh, und wir sind unheimlich froh, dass wir uns die 17-stündige Busfahrt von Islamabad hierher angetan haben.
Unser Weg führt uns zuerst in das Hunzatal, für uns die mit Abstand allerschönste Region. Das liegt zum einen an der einfach unfassbaren Landschaft aber auch an den Menschen. Zwar laufen hier tatsächlich gar nicht so wenige westliche Touristen herum, doch die Leute freuen sich überall uns zu sehen. Wir werden von fast jedem auf der Straße gegrüßt und die Kinder kommen aus dem Winken und „Hello“ rufen gar nicht mehr heraus. Die Kommunikation ist hier wieder deutlich einfacher für uns, denn im Gegensatz zum Iran kann fast jeder, vom Kleinkind bis zum alten Opi, ein paar Brocken englisch.
Und endlich sind auch wieder Frauen sichtbar, die wir auf unserer bisherigen Reise durch Pakistan vermisst haben.
Hier in Hunza nehmen sie am öffentlichen Leben teil und es gibt viele Projekte, die die Unabhängigkeit und Gleichstellung der Frauen fördern. (Später auf unserer Reise treffen wir einen LKW-Fahrer, der mit 25 Jahren noch unverheiratet ist, was in Pakistan eher ungewöhnlich ist. Doch er möchte eine Frau aus Hunza heiraten, weil die Frauen dort respektiert werden, erzählt er uns.). Doch die Sichtbarkeit der Frauen bleibt im Hunzatal leider eine Ausnahme…
Die Landschaft hier im Norden zu beschreiben ist unmöglich und ich könnte ständig nur Superlative verwenden. Aber ohne Übertreibung gehört sie für mich zu den schönsten, die ich je in meinem Leben sehen durfte. Zur Einordnung: Wir befinden uns hier inmitten des Karakorum-Gebirges. Hier befindet sich nicht nur der zweithöchste Berg der Erde, der K2, sondern auch gleich 63 eigenständige Siebentausender. Und da man sich ohnehin durchschnittlich auf einer Höhe von 2500 m bewegt, kommen einem die Giganten ganz nahe vor. Doch die Gegend ist nicht nur etwas für ambitionierte Bergsteiger, auch der einfache Wanderer, so wie wir es sind, kommt hier voll auf seine Kosten.
In der Gegend um Gulmit verbringen wir 5 Tage, wandern zum Black Glacier und über die furchterregende Passu-Brücke, die uns einen kostenlosen Adrenalinrausch liefert.
Und dann ist es nach einem Jahr Zeit, dass wir wieder einmal etwas getrennt machen. Ich fahre alleine ins 50 km entfernte Aliabad während Daniel noch Zeit in Gulmit verbringt. Ich quartiere mich ins Nomads Hostel ein und bin froh, diesen Ort gefunden zu haben. Über den Dächern der kleinen Stadt hat Sohail mit seinen Freunden einen einmaligen Ort geschaffen, an dem man sich direkt wohlfühlt. Ich genieße die 3 Tage alleine sehr, auch wenn es sich komisch anfühlt, wieder auf mich gestellt zu sein. Wir merken beide, dass es uns gut tut und wir das in Zukunft öfter machen sollten.
Nach 3 Tagen stoßt Daniel dann wieder zu mir und da ihm das Hostel auch gefällt, stellen wir unser Zelt für einige Tage im Garten auf.
Das erste Mal auf unserer Reise leihen wir uns ein Motorrad aus, Sohail gibt Daniel nochmal eine Fahrstunde :-).
Auf diese Weise können wir uns auch einige der zahlreichen Nebentäler ansehen, wo es jedes Mal landschaftlich anders aussieht, aber auch die Menschen und Kultur anders sind. Im Naltar Tal z.B. bekomme ich auf einmal Heimatgefühle, dort sieht es für mich aus wie in den bayerischen Voralpen!
Nach 2 Wochen verlassen wir das Hunzatal schließlich, auch wenn es hier noch so viel zu erkunden gäbe. Doch wir wollen auch noch andere Teile des Nordens sehen.
Ein Highlight wartet nun auf uns, die Wanderung zum Rakaposhi Basecamp. Der Rakaposhi ist mit 7788 m ein echtes Schwergewicht und das Basecamp, das auf einer Höhe von 3500 m liegt ist „relativ leicht“ zu erreichen.
Naja, leicht war es mit unseren vollbepackten Rucksäcken nicht unbedingt und nach über 1000 gelaufenen Höhenmetern sind wir froh, dass ein kleiner Campingplatz erscheint, wo wir spontan die Nacht verbringen. Zudem schlägt das Wetter um und wir können es uns hier in die Jurte gemütlich machen.
Wir treffen Abby und Anna aus den USA, zwei junge Frauen, die gerade erst ihre Outdoor-Leidenschaft entdecken und uns durch ihre Begeisterung für uns und unsere Reiseart nochmal vor Augen führen, was wir für ein tolles Leben führen dürfen.
Die restlichen 500 Höhenmeter zum Basecamp bezwingen wir am nächsten Morgen gemeinsam mit den beiden und ohne Rucksäcke.
Noch eine Sache, die uns hier im Norden so gut gefällt, wir können wieder entspannt per Anhalter fahren! Im Iran war das ja meistens ein echter Krampf, (siehe Blog 028) doch hier verstehen die Menschen endlich wieder, was wir von ihnen wollen! Und so geht es für uns weiter nach Skardu, den Hauptort der Region Baltistan.
Die Stadt selbst ist staubig und wenig ansehnlich, doch wir leihen uns wieder ein Motorrad aus und können so die Gegend rundherum erkunden. Eine Wanderung auf den Marsur-Rock ist für uns ein weiteres Highlight. Der Stein wurde erst 2018 von einem Fotograf „bekannt gemacht“ und ist seitdem ein beliebtes Wanderziel. Die 800 steilen Höhenmeter muss man sich erarbeiten aber die Aussicht, der Marsur Rock liegt auf 3600 m, ist jeden Schritt wert.
Und zum ersten Mal auf unsere Reise sind wir in einer Wüste! Im Iran waren wir dafür leider zur völlig falschen Jahreszeit aber in Pakistan fahren wir nun mit dem Motorrad durch die Cold Desert.
Auf der Fahrt zum Manthokha Wasserfall werden wir zum ersten Mal in einem der wunderschön bemalten und dekorierten LKWs Pakistans mitgenommen. Uns wird wieder einmal bewusst, welch hartes Leben die Fahrer haben. Umso mehr freuen sie sich über Ablenkung in Form von uns und stellen mehrfach sicher, dass es uns an nichts mangelt.
Wir landen schließlich in Khaplu, dem nordöstlichsten Punkt unserer Pakistanreise und nur gut 60 km vor der indischen Grenze, die allerdings nicht passierbar ist.
Ein letztes Mal leihen wir uns ein Motorrad. Wie schon erwähnt ist jedes Tal hier anders und wir merken, dass Hunza natürlich auch nicht repräsentativ für den Norden ist. Wie auch, gibt es doch so viele unterschiedliche Sprachen, Kulturen, Religionsformen, Stämme, die teilweise nur ein Tal auseinander liegen.
Hier werden wir zwar auch winkend von den Kindern begrüßt, doch gleich darauf folgt „Money, money“.
Überhaupt fällt uns die absurd hohe Zahl von Kindern auf. In jedem Minidorf gibt es mindestens vier Schulen und zu Schulschluss reißen die Kinderströme gar nicht mehr ab. Ich frage mich oft, was diese Kinder für eine Zukunft haben, wenn die Eltern schon ums Überleben kämpfen müssen. Oft werden wir mit herabgelassenen Kinnladen von den Kindern beobachtet und ich habe den Eindruck, vor allem die Mädels finden es irgendwie cool mich zu sehen. Und ich bilde mir ein, vielleicht für die ein oder andere eine Inspiration zu sein, dass sie sehen, dass ein Mädchen/eine Frau auch andere Optionen hat als Hausfrau und Mutter zu sein und alles tun kann, was ein Mann auch kann. Denn die allermeisten haben hier leider nicht die Wahl, arrangierte Ehen sind in Pakistan üblich und die Rolle der Frau ist sehr klar definiert.
Dabei muss ich sagen, mein Eindruck ist, dass die Zukunft des Landes (nicht nur dieses…) weiblich ist. So habe ich meine beste Unterhaltung auf der Straße mit einem 12-jährigen Mädchen. Sie ruft mir schüchtern „I have a question“ hinterher. Ich drehe mich um und höre ihr zu. In bestem Englisch fragt sie mich ein wenig aus (die von Erwachsenen üblichen Standardfragen, ob ich verheiratet sei und ob ich Kinder habe sind nicht dabei). Ich frage sie, ob sie weiß, wo Deutschland liege. Sie bejaht und fordert mich auf: „Tell me something about Germany“. Ich bin kurz sprachlos. Warum? Auf unserer Reise haben uns unzählige, zum großen Teil Männer, erzählt, dass sie unbedingt nach Deutschland wollen. Dabei können viele nicht einmal gut englisch geschweige denn deutsch. Und kein Einziger hat uns irgendetwas über Deutschland gefragt.
Oder ein anderes, etwa gleichaltriges Mädchen, das mich ebenfalls auf der Straße anspricht. Als sie hört, dass ich aus Deutschland komme, sagt sie mir stolz ein paar Worte auf deutsch vor. Ich frage überrascht, warum sie denn deutsch lerne. Na weil sie einmal nach Deutschland möchte, wenn sie Erwachsen ist! Ich wünsche es den Mädels und Frauen des Landes wirklich von Herzen, dass sie eine bessere Zukunft haben, aber eine Gesellschaft zu ändern braucht leider Zeit…
Mit diesen zugegeben wenig optimistischen Worten beschließe ich diesen Beitrag, bald erfahrt ihr, wie es für uns in Pakistan weitergeht.
Liebe Bea, ich hoffe wirklich dass es einmal ein Buch von deinen Reisen gibt,du weißt ja das ich wahnsinnig viel lesen . Du schreibst immer so das ich immer ein bisschen traurig bin wenn ich fertig bin mit lesen. Das sag ich nicht weil ich deine Mama bin
Ach wie schön ❤️. Falls es ein Buch gibt, bekommst du ganz sicher das erste Exemplar 😘
Und handsigniert! 🙂
Hallo Ihr Beiden Lieben, wieder einmal bin ich total gerührt über Eure Erlebnisse – manchmal auch neidisch!! und ein anderes Mal auch froh hier im warmen Wohnzimmer zu sitzen und in einem richtigen Bett schlafen zu dürfen. Ihr habt meinen allergrößten Respekt!! Vor Euren sportlichen Leistungen “ ziehe ich meinen Hut“ und Deine Vorbildfunktion Bea ist bestimmt sehr prägend für die Mädels.
Ganz herzliche Grüße aus Jülich
Theresa und Stephan
Vielen Dank für das schöne Feedback. Glaube mir, manchmal wünschen wir uns auch in ein warmes Wohnzimmer ☺️. Oder auf eine saubere Toilette 😆.
Ja manchmal frage ich mich auch… warum zum Teufel tun wir uns das an und was machen wir hier eigentlich? 🙂
Ja, ein sauberes schönes Klo zum hinsetzen, das fehlt mir schon 🙂
Danke fürs Lesen und liebe Grüße von Pushkar (Indien) zurück nach Jülich 😘
Hallo Ihr Lieben Alle! Ich meine auch Euch , Sabine und Theresa 😍 ich kann mich Euren Worten nur anschließen, lese heute beim Frühstück mit den Füßen auf einem Stuhl zum zweiten Mal diesen wunderbaren Blog, da es gestern in der Mittagszeit auf der Arbeit nicht entspannt war und genieße die Erzählung! Du schreibst einfach wunderschön liebe Bea 💓 und mit Euren Müttern freuen sich noch viele Andere auf Dein Buch, da bin ich sicher. 👍
Ich sende Euch eine dicke Umarmung 🤗😘
Auch du bekommst von Bea ein handsigniertes Exemplar ❤️😘
Geniesse das lange Wochenende. Vielleicht gibt’s ja am Sonntag noch eine YouTube Überraschung 😳🤣
Wie schön, dass auch meine Blogs so gut gefallen ❤️