Lasst uns direkt einsteigen: Wir wurden einfach nicht so recht warm mit Albanien. Und es ist schwer zu sagen warum. Im Folgenden ein Versuch der Analyse mit Aussicht auf ein Happy End.
In Albanien angekommen, flüchten wir erst einmal in den Norden, ins Gebirge, in der Hoffnung, dass es dort etwas kühler ist (war es nicht). Das Prokletije Gebirge kannten wir schon von montenegrinischer Seite, nun erkunden wir es von albanischer Seite. Zweifelsohne traumhaft schön und wir können einige tolle Wanderungen ohne schweres Gepäck machen. 5 Tage bleiben wir dort in Theth. Einem Dorf in den Bergen, das bis vor 1,5 Jahren nur über eine Schotterpiste erreichbar war. Mittlerweile ist die Straße immerhin asphaltiert. Das Dorf scheint eigentlich nur aus Unterkünften für Touristen zu bestehen, was der ganzen Atmosphäre etwas skurriles verleiht. Dann wird es Zeit für Neues.
Wir entschieden uns nach Koman zu fahren und mit der Fähre über den Komanstausee nach Fierze. Landschaftlich wunderschön doch das schon aus Kroatien und Montenegro bekannte Müllproblem zeigt sich in Albanien noch potenzierter. Der Stausee ist über und über mit Plastikmüll bedeckt. Und dieses Bild wird hier leider alltäglich für uns. Der Müll ist einfach überall und man kann ihm gar nicht ausweichen. Zum einen fehlt es vermutlich an Aufklärung zum anderen wissen die Haushalte und Restaurants schlichtweg einfach nicht wohin mit ihrem Müll, denn es gibt sehr oft keine Müllabfuhr. Es fällt uns oftmals sehr schwer, uns von den Müllbergen nicht die Laune verderben zu lassen…
In Fierze angekommen wollen wir wieder etwas mehr ins Landesinnere, doch das ist hier gar nicht so leicht. Die Infrastruktur ist einfach miserabel, es gibt wenige Straßen und die die vorhanden sind, werden ihrem schlechten Ruf meist gerecht. So ist es also normal, dass man für 50 km leicht mal 1,5 Stunden braucht. Aber der Zeitfaktor spielt ja bekanntlich bei uns eh keine Rolle. Wir haben Glück und werden 200 km und 3,5 Stunden von Piero mitgenommen. Er ist Reisejournalist und schreibt an der Neuauflage für den italienischen Lonley Planet Albanienführer. Er kennt Albanien also ziemlich gut, war das erste Mal vor 15 Jahren hier. Er sagt, Albanien sei wie die fette Kuh, die gemolken wird, bis nichts mehr von ihr übrig ist. Kein schmeichelhafter Vergleich aber nachvollziehbar. Die Orte, die für Touristen interessant sind, werden einfach zugekleistert mit Hotels, Bars etc. so dass jeglicher Charme verloren geht.
Klar, alle wollen etwas haben vom Tourismus, denn „normale“ Arbeit gibt es hier kaum.
Und da wären wir schon beim nächsten großen Thema hier: Korruption. Ein Wort, das wirklich in jeder Unterhaltung fällt, die wir mit Albanern führen. Die Albaner sind verzweifelt und haben jegliches Vertrauen in die Politik verloren. Während sie z.B. auf maroden, lebensgefährlichen Straßen fahren müssen oder es einfach keine Arbeitsplätze gibt, bereichert sich die Politik immer weiter und steckt alles in die eigenen Taschen. Jeder zweite Albaner bei dem wir ins Auto einsteigen war schon mal zum arbeiten in Deutschland und wenn wir erzählen, dass wir aus Deutschland kommen, breitet sich ein Lächeln auf den Gesichtern aus, denn die Meinung über Deutsche und Deutschland im Allgemeinen ist hier sehr hoch. Es ist ein unheimliches Privileg mit so offenen Armen in einem fremden Land empfangen zu werden. Ob wir Deutschen das überhaupt „verdient“ haben frage ich mich oft in diesen Tagen…
Nachdem Piero uns durch das halbe Land gefahren hat, machen wir eine dieser Erfahrungen, für die wir diese Reise so sehr lieben. Angekommen am Ulza See, läuft alles erst einmal anders als gedacht. Wir wollten uns eigentlich ein schönes Plätzchen am See suchen doch irgendwie gibt es die Vegetation nicht her. Wir landen also nach einem gut 2-stündigen Fußmarsch irgendwo auf einem Hügel im Nichts. Daniel sagt noch, „wer weiß wofür es gut ist, dass wir hier gelandet sind“. Und er sollte Recht behalten. Nachdem wir unser Zelt aufgeschlagen haben, kommt der zahnlose Opi mit seiner Enkeltochter aus dem nächstgelegenen Haus bei uns vorbei. Und nicht etwa, um uns zu sagen, wir können unser Zelt hier nicht aufschlagen. Er bringt uns Mirabellen und Gurken aus seinem Garten, selbst angebauten Tabak und Wasser. Er bleibt über eine Stunde bei uns und wir unterhalten uns, auch wenn wir nicht die selbe Sprache sprechen. Am nächsten Tag sollen wir nach dem Aufstehen zum Kaffee in seinem Haus vorbeikommen, was wir natürlich machen. Neben Kaffee gibt es Rakija, klar, und selbstgemachten Honig und wir lernen den Rest der Familie kennen. Sie beeindrucken uns nachhaltig. Wir verlassen die Familie mit einem rakijageschwängerten Glücksgefühl aber auch nachdenklich. Sie leben dort in einfachsten Verhältnissen und geben uns Fremden doch so viel sie können, einfach weil wir ihre Gäste sind. Ich gebe zu, manchmal schäme ich mich für das Land aus dem ich komme und das Verhalten, das wir mancherorts „Fremden“ entgegen bringen.
Wir wollen nun weiter zum Meer und uns dort ein schönes Plätzchen suchen, an dem wir ein paar Tage bleiben können. Doch wir bekommen die vollen Auswirkungen der fetten Kuh zu spüren. Die meisten Orte am Meer sind einfach nur verschandelt indem jeder Quadratmeter zugebaut wurde. Und dort wo nichts zugebaut wurde, liegen die Müllberge.
Wir treffen Bes, der in einem Wäldchen in der Nähe vom Strand versucht einen Eco Campingplatz aufzubauen. Eine kleine Idylle, doch im Wald um den Campingplatz herum liegen weiterhin die Müllberge. Er versucht das Problem anzugehen, versucht mit den Leuten zu sprechen um eine Lösung für das Müllproblem zu finden, doch es erscheint aussichtslos.
Je weiter wir dann jedoch Richtung Süden die Küste entlang fahren, desto sympathischer wird die Landschaft und wir können erahnen, wie es vor 15 Jahren vermutlich noch überall im Land ausgesehen hat, bevor man angefangen hat, die Natur für den Tourismus zu zerstören. Und dann an einem überaus speziellen Plätzchen erteilt uns ein Mann in Dreadlocks eine Lektion. Klar ist hier nicht alles „perfekt“ und super. Aber man muss auch das Schöne erkennen. Und damit hat er sowas von Recht! Letztendlich liegt es auch an uns selbst, ob wir das Schöne erkennen wollen. Und so finden wir am Gjipe Strand dann doch noch unser kleines Paradies in Albanien. Klar, hier war es vor 10 Jahren auch noch besser, als es hier nur eine Bar und nicht 5 gab und die kleine Bucht noch ein echter Geheimtipp war. Aber es bleibt ein traumhafter Ort. Und Morgens und Abends, wenn die Tagesbesucher weg sind, haben wir die ganze Bucht quasi für uns alleine.
Wir freuen uns nun richtig auf die weiteren Orte im Land, die wir noch erkunden bevor uns dann Anfang August meine Mutter für einige Tage besuchen kommt. Mit ihr geht’s dann wieder in den Süden zurück, da wo es schön ist :-).
Das tolle an der Reise ist, dass wir die Zeit haben, die einzelnen Länder wirklich zu erkunden und kennenzulernen. Denn, das hat uns Albanien auch gelehrt, es braucht eben Zeit, bis man ein Gefühl für das Land und die Leute bekommt. Es kann eben nicht immer Liebe auf den ersten Blick sein 🙂
Liebe Bea, ich liebe Deine Art zu schreiben! Du erzählst Eure Gefühle und Eindrücke so greifbar und ehrlich, es ist mitreißend!
Ich drücke Dich und Daniel ganz dolle! 😘
Vielen lieben Dank! Mir macht es auch sehr viel Freude alles niederzuschreiben. Das hilft mir selbst auch sehr, das Erlebte zu verarbeiten.
Dem kann ich mich nur anschließen: eine wunderbare Art, zu Schreiben 😉
Vielen lieben Dank Tanja!
Ja, Dein Schreibstil ist so anschaulich, mitreißend lebendig; und dabei noch selbstkritisch mit einer Prise Humor. Ich bin jedesmal aufs neue begeistert!!!
Ganz liebe Grüße an Euch Beide
Theresa
Das freut mich sehr, vielen vielen Dank!
Schön, dass ihr langsam das Albanienfeeling bekommt 🙂 und auch das nicht perfekte im Land sehen und erfahren können, ist besser als es nur durch Tourismusaugen zu sehen. Frohes Reisen euch weiterhin.
Schön ausgedrückt, liebe Ramona! Vielen Dank, dir auch weiterhin viel Freude!
Liebe Bea, schön, dass du deine Familie und Freunde immer so lebendig an eurer Reise teilhaben lässt. Ich freue mich immer sehr auf eure neuen Berichte. Du schreibst es fast so, als wäre man dabei. Ich wünsche euch weiterhin so tolle Eindrücke und viel Spaß an euren nächsten Zielen. Passt auf euch auf!
Vielen lieben Dank für dein tolles Feedback liebe Claudia!
Eure Berichte werden immer besser , ich freue mich schon auf hoffentlich auch ein paar nette
Begegnung
Is bald Mama
Hihi, vielen Dank 🙂
Gebt euch Zeit! Gebt den Orten Zeit auf euch zu wirken! Und teilt weiter eure Erfahrungen! Es ist schön, teilzuhaben,
Das freut mich!
Hey ihr beiden,
vielen Dank für die schönen Zeilen !
Inspirierend und man wird zum Nachdenken angeregt.
Weiterhin viel Freude und tolle Erlebnisse und Erfahrungen.
LG Andi
Danke für dein tolles Feedback und dass du so fleißig mitliest!
Auch wenn ich mich wiederhole ,deine Schreibstill wird immer besser ,sehr kurzweilig verfasst .Danke das ihr mir schöne Tage in Albanien ermöglicht habt .Freue mich schon auf den nächsten Bericht. Mama
Sehr gerne 🙂