Nach 4 Monaten Iran ist es Zeit Abschied zu nehmen. Die letzten 9 Wochen (!) haben wir in unserem geliebten Hostel in Shiraz verbracht. Das hatte zum einen organisatorische Gründe. Wetterbedingt wollten wir nicht früher nach Pakistan (im August ist dort Monsunzeit) und dann mussten wir noch über 3 Wochen auf unser Indienvisum warten. Zum anderen haben wir uns im Hostel einfach so wohl gefühlt und haben die Zeit mit unseren iranischen Freunden genossen.
Der Abschied war für alle nicht einfach. Das ist eine traurige Seite des Reisens. Man trifft fremde Menschen, die schnell zu Freunden werden und weiß doch, dass man sich bald wieder trennen muss.
Danke liebe Ziba Crew, danke ihr verrückten Iraner, dass ihr uns ein Zuhause gegeben habt und ihr uns gezeigt habt, wie der Iran wirklich ist!
Mitte September machen wir uns mit gemischten Gefühlen auf nach Pakistan. Wir haben von anderen Reisenden viel über Pakistan gehört, wenig Gutes war dabei. Und wir wissen, dass Pakistan uns in vielerlei Hinsicht fordern wird.
16 Stunden geht es mit dem Bus in die iranische Grenzstadt Zahedan und bereits an der Grenze erwarten uns wilde Szenen. Tausende Pakistanis warten dort um wieder ins Land zu kommen, sie kommen zurück aus dem Irak wo Millionen von Schiiten jährlich in die Stadt Karbala pilgern.
Aufgrund der Massen an Menschen sitzen sie dort tagelang fest, die hygienischen Zustände vor Ort könnt ihr euch vielleicht ausmalen. Wir bekommen zum Glück für uns eine Vorzugsbehandlung und werden an den endlos langen Schlangen vorbeigelotst.
Hinter der Grenze werden wir direkt in ein Polizeiauto verfrachtet und zur nahe gelegenen Polizeistation gebracht. Wir befinden uns in der Region Belutschistan, die seit Jahren unter Unruhen leidet. Deshalb dürfen Ausländer die 600 km bis zur nächsten Stadt Quetta nur mit Polizeieskorte zurücklegen.
2 Tage warten wir in der Polizeistation, die wir auch nicht alleine verlassen dürfen.
Und dann geht es los! Zusammen mit einer neuseeländischen Motorradfahrerin und zwei Afghanen im eigenen Auto passieren wir alle paar Kilometer militärisch gesicherte Checkpoints. Bestimmt 20 Mal wechseln Auto und Polizisten. Als einzige ohne eigenen fahrbaren Untersatz fahren wir mit den Polizisten und räumen jedes Mal unsere Rucksäcke ein und aus und warten in der Hitze auf die nächste Eskorte bis uns schließlich die Afghanen in ihr klimatisiertes Auto einladen. Das macht es deutlich angenehmer für uns. 15 Stunden brauchen wir auf diese Weise für die 600 km. Wir merken schnell, dass es keinen Sinn macht den Polizisten irgendwelche Fragen zu stellen weil hier die linke Hand nicht weiß was die rechte tut und sie halt nur ihren Auftrag erfüllen und uns jeweils ein paar Kilometer begleiten.
Zum Essen halten wir nur an, weil die Polizisten selber Hunger haben, ansonsten ist es ihnen relativ egal, wie es uns geht.
Spätabends in Quetta angekommen werden wir in ein überteuertes abgeranztes Hotel gesteckt. Daniel und ich handeln aus, dass wir vergünstigt unser Zelt im Garten aufstellen dürfen.
Am nächsten Tag werden wir wieder von Polizisten abgeholt, um auf einer Polizeistation das „NOC“ abzuholen, ein Wisch der uns zur Weiterreise berechtigt.
Unsere Reisegruppe vergrößert sich um weitere Reisende, die schon seit 3 Tagen im Hotel warten müssen, weil das Büro am Wochenende geschlossen hat.
Insgesamt 7 Dokumente müssen die Herren nun ausfüllen. Wir reden hier von jeweils einem Worddokument, in dem im Grunde nur die individuellen Daten ausgetauscht werden müssen. Dafür brauchen die Spezialisten über 4 Stunden. Von den 5 Herren tippt nämlich genau einer in den Computer, die anderen spielen Solitaire, rauchen oder machen sich wichtig.
Als wir endlich alle unseren Wisch haben, werden wir wieder ins Auto verfrachtet und auf geht’s zur nächsten Polizeistation, wo wir alle aussteigen, eine Kopie des NOCs gemacht wird und wir wieder rausmarschieren. Und weiter zur nächsten Polizeistation, wo selbst die dortigen Polizisten nicht wissen, warum wir jetzt eigentlich hier sind. Es ist mittlerweile 15 Uhr Nachmittags als ich einen der Polizisten nötige mir Wasser und zumindest ein paar Kekse zu besorgen (selber raus gehen darf ich ja nicht).
Endlich geht es zurück zum Hotel. Auf der 5 km Eskorte dorthin hält das Auto nochmal mitten auf der Straße an und wir warten eine halbe Stunde auf ein anderes Auto, das uns dann die restlichen Kilometer bringt. Warum? Keine Ahnung, wir haben aufgegeben nachzufragen.
Die anderen Reisenden haben alle einen eigenen fahrbaren Untersatz, wir wollen mit dem Bus weiter nach Islamabad und verstehen nicht, wieso man uns nicht endlich zum Busterminal bringt. Die Nerven liegen mittlerweile bei allen blank. Vom Hotel denken wir geht es dann endlich los, doch wir werden zur nächsten Polizeistation gebracht. Die Anderen weigern sich und drohen einfach loszufahren. Dadurch ermutigt flippen auch wir aus und schreien den Polizisten an, dass man uns nun endlich zum Busterminal bringen soll. Er besorgt uns schließlich ein Busticket und 4 Stunden später soll es losgehen. Wir sind körperlich und mental am Ende. Zu der ganzen chaotischen Situation und dass man dem komplett ausgeliefert ist kommt hinzu, dass ich von den meisten Männern ignoriert werde. Es wird ausschließlich mit Daniel kommuniziert, er wird gefragt ob ich seine Frau bin als wäre ich sein Hund. Es ist tatsächlich als würde ich nicht existieren. Selbst wenn ich direkt eine Frage stelle, wird mir manchmal nicht geantwortet. Wenn Männer mit mir sprechen, werde ich nur gefragt, ob ich verheiratet bin und ob ich Kinder habe. Das ist extrem schwierig für mich. Frauen sehen wir bislang so gut wie gar nicht, sie nehmen scheinbar nicht am öffentlichen Leben teil.
Schließlich kommt ein anderer Polizist und will das Geld für das Busticket. Wir fragen ihn noch einmal, wo der Bus hinfährt. „Sukkur“ antwortet er. Wo zur Höhle ist das denn jetzt bitte??? Und warum sagt uns das keiner ohne dass wir explizit nachfragen müssen? Hat hier eigentlich irgend jemand mehr als 3 Gehirnzellen? Nein, denn als ich mit den Nerven am Ende in Tränen ausbreche und Daniel mich tröstet, kommt der Geldeintreiberpolizist und will ein Selfie mit uns machen. Zum zweiten Mal flippen wir aus und schreien den Polizisten an, ob er noch alle Tassen im Schrank hat…
Der Bus kommt tatsächlich zur angegebenen Zeit um uns abzuholen. Doch das ist erstmal kein Grund zur Freude, denn es ist ein Localbus der bis unters, nein sogar übers, Dach vollgestopft ist mit Menschen und Waren.
Wir haben immerhin Sitzplätze und müssen nicht auf dem Boden oder auf dem Dach sitzen. Die Fahrt ist die absolute Hölle, die Straße größtenteils eine Schotterpiste und ca. jede Stunde ein Checkpoint in dem unsere Ausweise, unsere Visa, das NOC und wir fotografiert werden. An Schlafen ist bei der 12-stündigen Fahrt nicht zu denken. Irgendwann kommt der nette Busfahrer auf uns zu und möchte Geld für die Fahrt. Wir erklären, dass wir das Geld dem Polizisten gegeben haben. Er telefoniert wütend herum, das Geld ist also scheinbar nie bei ihm angekommen… Polizei dein Freund und Helfer… Scheinbar nicht in Pakistan.
Wir beschließen uns in Sukkur eine Nacht ein überteuertes Touristenhotel zu nehmen, um uns vor der Weiterfahrt nach Islamabad auszuschlafen. Unterkünfte in Pakistan brauchen eine spezielle Lizenz um Ausländer beherbergen zu dürfen, das schlägt sich natürlich auf den Preis nieder. Wir sind die einzigen Gäste in diesem überdimensionierten top gesicherten Hotel und bekommen ein ganzes Frühstücksbuffet nur für uns. Das fühlt sich irgendwie sehr seltsam an aber wir sind froh, dass wir unsere Ruhe haben.
Am nächsten Tag werden wir von der Polizei abgeholt und zum Busterminal gebracht. Mit über 3 stündiger Verspätung geht es los, dieses Mal auch mit einem „normalen“ Reisebus. Und 12 Stunden später sind wir dann endlich in der Hauptstadt Islamabad.
Wir steigen kurz vor Endstation aus und finden auch gleich ein Taxi, das uns zum Hostel bringen soll. Im Taxi dann der Schock meines Lebens: mein Handy ist nicht mehr da! Mir weicht jegliche Farbe aus dem Gesicht, ich muss es in meinem übermüdeten Zustand im Bus liegen gelassen haben. Ich bin mir sicher, dass es weg ist, der Taxifahrer versucht mich zu beruhigen und rast mit uns zur Endstation. Wir finden zum Glück schnell unseren Bus, ich laufe und kann es nicht glauben: im Bus erwartet mich die nette Mitarbeiterin lächelnd mit meinem Handy in der Hand! Ich falle ihr um den Hals und bin einfach nur unendlich erleichtert.
Islamabad stimmt versöhnlich, wir haben das Gefühl, das Schlimmste nun hinter uns zu haben. Man sieht hier wieder Frauen, teils ohne Kopftuch oder mit den traditionellen bunten Gewändern. Und auch die Männer verhalten sich mir gegenüber wieder „normal“ .
Eine Woche haben wir von Shiraz nach Islamabad gebraucht. Es war die anstrengendste Woche unserer bisherigen Reise, ohne Zweifel. Es wird bestimmt noch eine Weile dauern bis wir uns an Pakistan gewöhnt und die Eindrücke verarbeitet haben. Bettelnde Kinder und Frauen, extreme Armut, Kulturschock hoch 1000. Wie sauber und geordnet der Iran im Nachhinein doch nun auf uns wirkt :-).
Oh das ist heftig allein schon beim lesen … ich bin froh, dass Ihr in einem ruhigen und schönen Umfeld jetzt gelandet seid und wünsche Euch gute Erholung von den Strapazen!
Alles Liebe und eine schöne Zeit in der tatsächlich auch sehr schönen Natur Nordpakistans! ❤️
Jaaaa, hier im Norden Pakistans ist’s richtig schön 🥰 Danke fürs schöne Telefonat gestern Mama ❤️
Der Blick auf Sauberkeit ändert sich immer wieder….je nachdem was man kennt bzw schon gesehen hat 😅 ihr kennt dann bald schon alle Stufen davon.
Viel Spaß weiterhin und Durchhaltevermögen zur Eingewöhnung, und wenns mal gar nicht passt, findet ihr auch eine Lösung. Ihr dürft das ja alles machen und müsst nicht.
Ich ziehe immer noch meinen Hut vor euch
Lg Ramona
Dreckiger geht’s immer 😉 hier im Norden haben die Menschen aber ein schon recht gutes Verhältnis zum Thema Umwelt und Müll. Es liegt hier recht wenig Mist herum. Ganz anders dazu der Süden bzw. das Landesinnere. Indie lässt grüßen 😉
Danke fürs Lesen liebe Ramona 🥰
Hoffentlich habt ihr euch schon ein bisschen von den Strapazen erholt, das muss ja fürchterlich gewesen sein.
Aber wie es scheint werdet ihr jetzt ein bisschen belohnt. Grüße aus Deutschland 😊
Ja, haben uns zum Glück schon wieder gut erholt 🤗
Liebe Bea,
mit Spannung verfolge ich eure Reise. Ihr seid echt mutig, und habt Durchhaltevermögen. Respekt !
http://www.panditarama-lumbini.info/
Hier wäre ein gutes Ziel solltet ihr nach Lumbini kommen und ein Retreat machen wollen😊🧘🏻♀️
Vielen Dank liebe Sabrina, freut mich sehr, dass du unserer Reise folgst 🤗! Und danke auch für den Tipp mit dem Retreat 👍